Staatsakt zum Tode von Bernhard Vogel

Verehrte Trauergäste, Anverwandte, Freunde, Wegbegleiter von Bernhard Vogel,

Bernhard Vogel hat mich gebeten, als sein Freund hier zu sprechen, deshalb möchte ich das in Form eines letzten Gespräches tun:

„Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende“ (Quidquid agis prudenter agas et respice finem) – das war Dein Satz, lieber Bernhard.

Vom Ende her denken, zupackend voran gehen, nötigenfalls auch mit langem Atem, das war Deine Art, lieber Bernhard – eine Politik: Werte geleitet und langfristig angelegt.

Am 11. Februar dieses Jahres besuchte ich Dich ein letztes Mal in Speyer. Du hast auf mich fit und spontan gewirkt, Dein Geist klar sortiert wie immer – in dieser Stunde, in der wir Kaffee tranken und als gute Pfälzer noch eine Flasche Wein leerten. Du hast Dir Sorgen gemacht über die politische Lage in den USA, in Europa, in Deutschland. Unsere Demokratie stünde vor sehr großen Herausforderungen und wir seien darauf nicht richtig vorbereitet, waren Deine Worte. Diese Herausforderung könne nur durch einen Sieg der Union bei der Bundestagswahl gestemmt werden, so Deine Überzeugung. Das hat mich an ein Zitat erinnert, das Du gerne im Munde führtest und das ganz aktuell ist: „Eine Veränderung von Strukturen führt im Endeffekt zu nichts, wenn sich dabei nicht auch der Geist erneuert. Wir brauchen keine Kulissenschieber, wir brauchen neue Stückeschreiber.“ Ich hatte bei unserem Gespräch den Eindruck, Du wärest am Liebsten nochmal selbst in den Wahlkampf gezogen. Mir war in diesem Moment nicht bewusst, dass ich Dich das letzte Mal sehen würde.

Nun, lieber Bernhard, sind wir hier, um uns von Dir zu verabschieden. Mir fällt das auch als Dein Ur-Ur-Ur-Enkel im Landesvorsitz unserer Rheinland-Pfälzischen Union schwer.

Niemand geht aus diesem Leben, ohne etwas zurückzulassen. Angehörige, Freunde, ein Haus, das einst gebaut, ein Garten, der angelegt wurde oder ein Erbe für die Kinder. 

Bernhard, Du als christlicher Urdemokrat und überzeugter Europäer hinterlässt uns, die wir hier zusammengekommen sind, eine Vorstellung von Gesellschaft, die uns Auftrag ist.

Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu sein, jeder an seinem Platz, Verantwortung zu übernehmen, in den Diskurs zu gehen, für Freiheit einzutreten, Brücken zu bauen, Verbindungen zwischen Menschen zu knüpfen und Verbundenheit zu schaffen, Ausgleich und Lösungen zu finden. Ein Auftrag, der gerade in der heutigen Zeit aktueller denn je ist.

„Zuerst das Land und dann die Partei“ – ein Satz, den Du, Bernhard, lebtest, aus tiefster Überzeugung und innerer Haltung heraus. Aber da kam noch etwas dazu: Die Lust und pure Freude am politischen Leben, der Drang, gestalten zu wollen. Du hast es nicht nur gesagt, Du hast es gelebt. Auch hier darf ich nochmals Worte von Dir zitieren: „Ein Kühler Kopf kann durchaus mit einem heißen Herzen verbunden sein, und mit einer sehr großen Leidenschaft.“ Und Diese Leidenschaft  hat bis zu Deinem letzten Atemzug nicht nachgelassen. Vor allem Bildung und Familienpolitik lagen Dir am Herzen. Um gute Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen kreisten viele Deiner Gedanken, wie ich aus unzähligen Gesprächen mit Dir weiß. 

Du hast in der Hochschul – und Bildungspolitik Maßstäbe gesetzt, den Leistungsgedanken in den Mittelpunkt gerückt. Nicht zu vergessen die Gründungen der Universitäten in Kaiserslautern und Trier.

Du hast Dich für das duale Mediensystem stark gemacht und die  Partnerschaft zwischen RLP und Ruanda ins Leben gerufen – eine Graswurzelpartnerschaft, die Dir sehr viel bedeutete.

Als Ministerpräsident in zwei Bundesländern musstest Du auch durch schlimme Tiefen hindurch: drei nenne ich: im September 1977 die Entführung Deines Freundes Hanns Martin Schleyer durch die RAF. Am 28.8.1988 die Flugtagkatastrophe in Ramstein – als Du am Abend an den Parkplätzen vorbei fuhrst und die Fahrzeuge der Opfer noch da standen, das war schrecklich für Dich. Und nicht zuletzt das Attentat in Erfurt am 26. April 2002. Ein 19-jähriger junger Mann tötete am Gutenberg – Gymnasium 16 Menschen. Diese Erfahrungen spiegeln sich in einem anderen Zitat von Dir: „Nur wenn es einen Gott gibt, können wir das Schreckliche aushalten. Wenn wir nur auf uns selbst hoffen, endet unsere Hoffnung an unseren Grenzen.“

Mit Deinem Namen eng verbunden ist der Aufbau der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung für Deinen Freund Helmut, die Du mit Rat und Tat begleitet hast.

Und nicht zu vergessen: Du warst der Ministerpräsident der „Kreisbereisungen“, ständig mit Land und Leuten in Kontakt. So lerntest Du die Probleme des Landes ebenso „hautnah“ kennen als auch die Chancen zu sehen, die sich vor Ort bieten. Du hattest ein offenes Herz und Ohr, suchtest das Gespräch mit jungen Menschen, Schülern, Studenten und Lehrlingen. Du wolltest wissen, wie es ihnen ergeht und was sie Dir zu sagen hatten.

Du warst aber nicht nur ein politischer Mensch, Deine Interessen waren breit gefächert. In der Kunst, Kultur, Literatur und Wissenschaft. Deshalb warst Du auch zweimal Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und Du warst ein sehr gläubiger Katholik, bewandert in allen Fragen der Religion und Theologie.

Du gehörtest zu den Menschen, mit denen ich über Alles, auch Persönliches, sprechen konnte, ein Freund, dessen Rat ich in allen Lebenslagen vertraute.

Dafür hast Du mir, das darf ich verraten, zumindest bei der Essensauswahl im Lokal vertraut. Hier warst Du nicht ganz so entscheidungsfreudig wie sonst: „Was isst Du? Das esse ich auch.“

Wer behauptet, es gäbe im politischen Geschäft keine Freunde hat ganz sicher Bernhard Vogel nicht gekannt.

Deinen Freunden warst Du ein großartiger Wegbegleiter. Hier denke ich vor Allem auch an Schorsch Gölter und Isabelle Wien – und alle anderen Freunde mögen mir verzeihen, dass ich sie für Alle nenne: ihr gilt Heute unser besonders großer Dank für die Zuwendung zu Bernhard in guten Jahren und vor Allem in den letzten Stunden, in denen Du, Isabelle, ihm beigestanden hast. Ich darf hier Deine Worte wiedergeben, wie sagtest Du? „Er ist friedlich und glückselig eingeschlafen und sicherlich direkt im Himmel angekommen.“

Bernhard, zu Deinem 70. Geburtstag sagte Roman Herzog, Du seist ein besonderer Politiker, weil Du ein lebendes Beispiel dafür bist, dass sich Toleranz und Grundsatztreue, Pflichterfüllung und Offenheit, Realismus und Zuversicht nicht ausschließen müssen.

Bernhard, mit 92 darf man von dieser Welt gehen. Danke Dir für Alles, Gottes Segen möge Dich begleiten.