Sofortprogramm für den Strafvollzug

Immer wieder macht der rheinland-pfälzische Strafvollzug Schlagzeilen, Personalprobleme, entflohene Häftlinge oder Straftaten hinter den Gefängnismauern.

1. August 2017: Fünf Justizgewerkschaften warnen vor einem wachsenden Personalproblem in der rheinland-pfälzischen Justiz. In einer gemeinsamen Pressekonferenz weisen sie auf schlechte Arbeitsbedingungen hin und werfen dem Land als Dienstherren vor, sträflich zu vernachlässigen, für genügend Nachwuchs zu sorgen.

2. November 2017: In der JVA Diez soll ein verurteilter Mörder seine Ehefrau in einem Besuchsraum vergewaltigt haben. Es steht der Verdacht im Raum, dass die Tat auch dadurch möglich wurde, weil zu wenig Personal vor Ort und zur Vorbereitung des Besuchs zur Verfügung stand.

3. Dezember 2016: Selbst Gefangene beschweren sich darüber, dass es in den Haftanstalten zu wenig Personal gebe. Im Jahresbericht des Bürgerbeauftragten 2016 heißt es: „Mehrere Gefangene haben sich im Jahr 2016 an den Bürgerbeauftragten gewandt und beklagt, dass immer wieder Sport und Freizeit in ihren Anstalten ausfällt bzw. zu wenig durchgeführt wird. So schrieb ein Gefangener im Namen von 47 Mitgefangenen dem Bürgerbeauftragten, dass immer weniger Freizeit stattfinde und Sportstunden ausfallen würden, weil es an der erforderlichen Anzahl von Justizvollzugsbediensteten fehle.“ (Drs. 17/2420, S. 15)

Große Anfrage zur Situation im Strafvollzug

Bereits im Jahr 2017 hatte die CDU-Landtagsfraktion eine Große Anfrage mit über 80 Einzelfragen an die Landesregierung gerichtet (Drs. 17/2333). Hintergrund war, dass sich Berichte über Probleme in den Haftanstalten häuften.

In der Antwort der Landesregierung (Drs. 17/2698) wurden diese Probleme erstmals ausführlich belegt. Daraufhin hat der Rechtsausschuss am 18. Januar 2018 auf Antrag der CDU-Fraktion eine Anhörung durchgeführt. Alle Anzuhörenden haben unsere Einschätzung bestätigt: Es gibt enormen Verbesserungsbedarf in den Haftanstalten.

  1. Die Gewaltbereitschaft im Strafvollzug ist in den vergangenen fünf Jahren drastisch gestiegen: So hat sich etwa die Zahl der Übergriffe gegen Mitgefangene mehr als verdoppelt. Auch die gewalttätigen Übergriffe auf Bedienstete sind gestiegen: 8 Fällen von Gewalt gegen Justizbeschäftigte im Jahr 2012 stehen 18 Fälle im Jahr 2016 gegenüber.
  2. Verständigungsschwierigkeiten nehmen zu. So sind etwa die Dolmetscherkosten im Strafvollzug deutlich gestiegen: Waren es im Jahr 2012 noch rund 6.600 Euro, so stiegen die Kosten 2016 auf rund 85.000 Euro an.
  3. Es gibt neue Herausforderungen durch synthetische Drogen; zudem hat sich die Zahl der Drogenfunde in rheinland-pfälzischen Justizvollzugseinrichtungen seit dem Jahr 2012 mehr als verdoppelt.
  4. Durch das neue Landesjustizvollzugsgesetz gibt es deutlich mehr Aufgaben für die Beschäftigten – und das bei gleichzeitigen Personalkürzungen.
  5. Es gibt einen Stau bei den Beförderungen.
  6. Die Gefangenenzahlen steigen.
  7. Bedienstete beklagen fehlende Wertschätzung und Anerkennung.
  8. Es fehlen Personalräume für die Bediensteten.

Angesichts dieser dramatischen Ergebnisse hatte die CDU-Fraktion im Anschluss an die Anhörung versucht, sich mit den übrigen Fraktionen gemeinsame Forderungen an die Landesregierung zu verständigen. Die Ampelfraktionen haben dies allerdings mit ihrer Mehrheit abgelehnt und die Große Anfrage zur Situation im Strafvollzug für erledigt geklärt. Offenbar ist ihnen dieses Thema unangenehm.

Das ist besonders gegenüber den Beschäftigten im Strafvollzug beschämend. Sie hatten sich Hoffnungen auf echte Lösungen gemacht.

Druck zwingt Landesregierung zum Handeln

Nach der intensiven Bearbeitung des Themas durch die CDU-Fraktion und immer neuen Negativ-Schlagzeilen war die Landesregierung quasi zum Handeln gezwungen – obwohl Minister Mertin nach seinem üblichen Muster zunächst Probleme verneinte, dann relativierte. Und erst aktiv wurde, nachdem der öffentliche Druck zu groß wurde.

  • Eine Anfrage der CDU-Fraktion hatte ergeben, dass die Zahl der unbesetzten Planstellen in jedem Monat der ersten Jahreshälfte 2017 bei rund 100 lag, ab Mai 2017 sogar deutlich darüber, im Oktober 2017 etwa bei 127. Die Landesregierung hat inzwischen angekündigt, die nicht besetzten Stellen im Strafvollzug endlich zu besetzen. Wir sind gespannt, ob es dazu kommt.
  • Nachdem die CDU-Fraktion mehrfach auf die unzureichende Sicherheitsüberprüfung der Gefängnis-Imame hingewiesen und der Minister hier zunächst keinen Handlungsbedarf gesehen hatte, hat er unmittelbar im Vorfeld der Anhörung ein Konzept vorgelegt, das auch nach Auffassung der CDU-Fraktion in die richtige Richtung geht.
  • Der Vertreter der Gewerkschaft ver.di hatte im Ausschuss auf eine Reihe konkreter Missstände in einzelnen Anstalten hingewiesen. Auf die Bitte der CDU-Landtagsfraktion im Ausschuss hin ist die Landesregierung jedem dieser Einzelfälle nachgegangen und hat dem Ausschuss einen Bericht hierzu erstattet.
  • Zwei Tage vor der Anhörung im Rechtsausschuss hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesjustizvollzugsgesetzes beschlossen. Dieser wird im anstehenden parlamentarischen Verfahren im Einzelnen inhaltlich geprüft und bewertet werden.

Unsere Forderungen an die Landesregierung:

Da diese Maßnahmen aus unserer Sicht völlig unzureichend sind und die meisten Probleme im Strafvollzug so nicht dauerhaft gelöst werden können, fordert die CDU-Landtagsfraktion ein „9-Punkte-Sofortprogramm für den Strafvollzug“:

  1. Es darf keine weiteren Stellenkürzungen geben.
  2. Die Landesregierung muss im Gegenteil zusätzliches Personal einstellen und mehr Beförderungsstellen – insbesondere für die jungen Bediensteten im Sozialdienst – ausweisen.
  3. Die Landesregierung wird aufgefordert, justizeigene Drogenspürhunde anzuschaffen.
  4. Die Landesregierung wird aufgefordert, justizeigene Handyspürhunde anzuschaffen.
  5. Das im Jahr 2013 in Kraft getretene Landesjustizvollzugsgesetz muss evaluiert werden.
  6. Die Abschaffung der Arbeitspflicht für Häftlinge im Strafvollzug muss evaluiert werden. Die Landesregierung wird aufgefordert, eine Änderung von § 15 Abs. 2 LJVollzG mit dem Ziel zu prüfen, die Arbeit im Strafvollzug als verpflichtende Behandlungsmaßnahme in den Behandlungskatalog aufzunehmen.
  7. Jede Anstalt muss einen geeigneten Sozialraum für die Beschäftigten erhalten.
  8. Die Landesregierung soll die Einführung von Zielvereinbarungen mit den Haftanstalten und Budgetierungen prüfen. Steuerungsinstrumente, wie sie beispielsweise in Niedersachsen existieren, könnten ein Vorbild für Rheinland-Pfalz sein.
  9. Die sog. „Gitterzulage“ muss analog der Verfahrensweise in anderen Ländern mindestens auf das Niveau der Polizeizulage angepasst, dynamisiert und ruhegehaltsfähig werden („Gleiche Uniform – gleiche Zulage“). In Bayern beträgt die Gitterzulage monatlich 151 Euro, in NRW 127,27 Euro – nach 10 Jahren – in beiden Ländern ist sie ruhegehaltsfähig.