Konsequenzen aus der Sachverständigenanhörung im Bildungsausschuss ziehen

Zur Genese:

  • Eine Novellierung des Kindertagesstättengesetzes (KitaG) aus dem Jahr 1991 ist lange überfällig. Die Kitas haben in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten viele grundlegende neue Aufgaben, z.B. Sprachförderung, Inklusion, Integration oder auch Schulvorbereitung übernommen, ohne dass diese im Gesetz abgebildet wurden.
  • Die Landesregierung kündigt seit ca. 10 Jahren eine Novellierung an. Nach Frau Ahnen, Frau Reiß und Frau Alt ist Frau Hubig mittlerweile die vierte für die Kindertagesstätten zuständige Ministerin, die die ausstehende Novelle zu verantworten hat.
  • Die CDU-Landtagsfraktion hat in den zurückliegenden Jahren und Monaten mit einer Vielzahl verantwortlicher Akteure über die überfällige Novellierung des Kindertagesstättengesetzes und den vorliegenden Gesetzentwurf gesprochen. Insbesondere wurde dieser mit über 100 Kita-Leiterinnen diskutiert. In den Wahlkreisen wurden Diskussionsabende, Runde Tische und Fachgespräche mit Trägern, Eltern und Erzieherinnen organisiert. Im Mai 2018 hat die CDU-Landtagsfraktion ihre Leitlinien für ein gutes KitaG vorgestellt.
  • Am 20. Juni 2018 wurde von Bildungsministerin Hubig, nach einigen Verzögerungen, endlich offiziell ein Referentenentwurf zur Novellierung des Kita-Gesetzes als „Kita-Zukunftsgesetz“ der Presse vorgestellt. Bereits dieser Entwurf ist in der ministeriumsinternen Anhörung von nahezu allen Anzuhörenden massiv kritisiert worden.
  • Dieser Gesetzentwurf hat nach Bekanntwerden seiner Inhalte auch in der Öffentlichkeit, insbesondere bei den betroffenen Erzieherinnen, Eltern, Trägern und Verbänden, erhebliche Kritik und Proteste ausgelöst. Im Mittelpunkt der Kritik standen insbesondere Personalschlüssel und Finanzierung.
  • Vor dem Hintergrund dieser Kritik und der großen Bedeutung des Themas hat die CDU-Landtagsfraktion diesen Referentenentwurf zum Thema im Plenum des Landtags gemacht. Obwohl die Landesregierung selbst ihren Gesetzentwurf als angeblich großen Wurf in einer Pressekonferenz präsentiert hat, wurde die CDU-Landtagsfraktion in der Plenarsitzung von den Regierungsfraktionen dafür kritisiert, dass sie dieses landesweit brisante Thema aufgreift. So wurde der angeblich „große Wurf“ der Landesregierung in der Plenarsitzung rhetorisch zum „non-paper“.
  • Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat Frau Hubig schließlich Nachbesserungen angekündigt und am 10. April 2019 dem Landtag ihren entsprechenden Gesetzentwurf zugeleitet. Auch dieser Gesetzentwurf hat starke Kritik auf sich gezogen. So haben beispielsweise die Kommunalen Spitzenverbände die zur Verfügung stehenden Finanzmittel für notwendige Umbaumaßnahmen z.B. für Küchen „als Tropfen auf den heißen Stein“ bezeichnet.

Am 25. Juni 2019 hat eine Sachverständigenanhörung im Bildungsausschuss des Landtages zum Gesetzentwurf stattgefunden.

Folgende Anzuhörende haben Stellungnahmen angegeben:

  • Rechnungshof Rheinland-Pfalz
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz
  • Liga der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz e.V.
  • Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit Rheinland-Pfalz (IBEB), Hochschule Koblenz
  • Julia Schneider, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
  • Volker Euskirchen, ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland)
  • Prof. Dr. Bernhard Fresacher, Katholisches Büro Mainz
  • Prof. Dr. Regina Remsperger-Kehm, Hochschule Koblenz
  • Oberkirchenrat Dr. Thomas Posern, Beauftragter der Evangelischen Kirchen
  • Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände
  • Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Rheinland-Pfalz Saarland e. V.
  • Landeselternausschuss der Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz
  • Elke Happersberger, Einrichtungsleitung Kita Bockenheim
  • Yvonne Wilhelm-Handrich, Leiterin des Prot. Kindergartens Schützenhof
  • Prof. Dr. Armin Schneider, Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit (IBEB))
  • Tanja Schwarz, Lebenshilfe Westpfalz e. V.
  • Albrecht Bähr, Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung)
  • Dr. Hans-Joachim Maaz
  • Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU))
  • Renate Schwarz, Vereinigung der Waldorfkindergärten, Regionalbüro Rheinland-Pfalz/Saarland)

Ergebnis der Sachverständigenanhörung

Selten ist eine Sachverständigenanhörung im Landtag zu einem so eindeutigen Ergebnis gekommen: Die angehörten Experten haben fast durchgängig massive Bedenken gegenüber dem geplanten neuen Gesetz geäußert.

Daran haben auch die „Nachbesserungen“ im Vergleich zum Referentenentwurf nichts geändert. Wenn dieser Gesetzentwurf zum Gesetz wird, werden viele Kitas schlechter dastehen als vorher.

Unter dem Strich suggeriert die Landesregierung der Öffentlichkeit Verbesserungen für die Kitas, die aufgrund der mangelhaften – auch finanziellen Unterfütterung – so nicht eintreten werden.

Im Ergebnis sieht sich die CDU-Fraktion in ihren Positionen bestätigt und wird die berechtigten Kritiken zur Grundlage ihrer Änderungsforderungen machen.

Nachstehend beispielhaft in Auszügen zentrale Kritikpunkte der Experten:

  • Für die AG der Kommunalen Spitzenverbände „bestehen Zweifel, ob die Personalbemessung … durch die Regelung des durchgängigen Vormittagsangebots mit Mittagessen ausreichend ist … Der Landeszuschuss … für die Ausstattung von Küchen und Speiseräumen in allen Kitas ist nicht nur der falsche Ansatz, sondern auch deutlich zu gering“. Hinsichtlich der mit zusätzlichen Mitteln des Landes zu schaffenden neuen Stellen sei „festzustellen, dass hier der Betrag in Höhe von 81 Millionen Euro nicht ausreichend ist … Das Konnexitätsprinzip sieht hier einen Vollkostenersatz vor“. Insgesamt sei „für die Kommunen davon auszugehen, dass sie als Ausfallbürgen nicht nur höhere Kosten aufgrund geringerer Trägeranteile, sondern zukünftig einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag aufwenden, um das Gesetz umzusetzen und auch Ausfälle bei der Personalkostenerstattung des Landes werden tragen müssen“.
  • Die LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege vermisst „Planungs- und Finanzierungssicherheit für Träger von Kindertageseinrichtungen“ und fordert „eine … Ausgestaltung der Rechtsverordnung zum Sozialraumbudget, die eine Schlechterstellung einzelner Einrichtungen verhindert“. Die LIGA fordert gegenüber dem Gesetzentwurf eine „kontinuierliche, verlässliche und am Rechtsanspruch orientierte Bemessung von Leitungszeiten“ und eine „kontinuierliche und verlässliche Personalausstattung“. Die Forderung nach einer bedarfsgerechten räumlichen und sachlichen Infrastruktur sei „über das Sozialraumbudget nicht verlässlich abzubilden“. Darüber hinaus fordert die LIGA „eine grundlegende bedarfsgerechte Neuberechnung für die Mittel des Investitionsprogramms für das Angebot einer qualitätsvollen Übermittagsbetreuung“.
  • Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft forderte „eine deutliche Nachbesserung bei der Fachkraft-Kind-Relation, denn sie ist der Schlüssel für gute Bildung“. Von dem neuen Gesetz habe man erwartet, „dass mehr Qualität im System gebracht wird, um endlich die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen vollumfänglich und zukunftsweisend zum Wohle der Kinder umsetzen zu können. Diese Erwartungen werden mit dem vorgelegten Gesetz nicht erfüllt“.
  • Das Katholische Büro bedauerte, „dass auch die für die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung vorgesehenen erhöhten Zuweisungen … nicht im entferntesten eine systematische gesetzliche Regelung der Refinanzierung in Bezug auf sämtliche Kostenblöcke ersetzen können“. Weiterhin bedauert das Katholische Büro, „dass die zusätzlichen Investitionsmittel für Küchenausstattungen etc. weit davon entfernt sind, den zu erwartenden tatsächlichen Bedarf auch nur annährend zu decken“. Das „Leitungsdeputat“ werde „gegenüber dem Referentenentwurf nicht dem tatsächlichen Bedarf entsprechend erhöht“. Die „Leistungsausweitungen“ seien „insgesamt nicht ausreichend personalisiert und finanziert …, so dass statt einer Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität ein sinkender Standard zu befürchten ist“.
  • Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die umfassend gesicherte Finanzierung eines jeden Trägers für eine zwingende Voraussetzung der Verwirklichung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz. „Der vorgelegte Gesetzentwurf erfüllt nicht die Anforderungen an diese Grundvoraussetzungen“. Die einschlägigen Regelungen des Gesetzentwurfs „entbehren … der grundlegenden Eckpunkte, derer es zur Sicherstellung der Finanzierung eines Kita-Betriebes bedarf … Sollte der Entwurf in der derzeitigen Fassung verabschiedet werden, ist der Weiterbestand vieler Einrichtungen fraglich“.
  • Nach der Stellungnahme einer Erzieherin bringt der Gesetzentwurf „nach einer bangen Zeit des Wartens“ für „Leitungen, Erzieher und Kinder … keine Verbesserungen der Rahmenbedingungen vor Ort. Die Erhöhung der Vollzeitäquivalenten … ist keine ernstzunehmende Verbesserung“. Die dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Erzieher-Kind-Relation sei „nicht der Realität entsprechend“. Sie befürchtet, dass „die Qualität in den Kitas… in allen Bereichen abnehmen“ wird.

Zentrale Kritikpunkte der CDU-Landtagsfraktion

  • Von einer Qualitätssteigerung in den Kitas kann keine Rede sein. Qualitätsstandards werden nach wie vor nicht erhöht.
  • Der Personalschlüssel für die Kitas ist immer noch zu gering. Notwendig ist deutlich mehr Personal in den Kitas.
  • Gerade der Rechtsanspruch auf eine durchgängige Sieben-Stunden-Betreuung wird deutlichen Mehraufwand in den Kitas produzieren. Die Erzieherinnen und Erzieher werden also weniger Zeit als heute zur Betreuung und Förderung unserer Kinder zur Verfügung haben.
  • Er bedarf der personellen Entlastung bei Leitungs- und Sekretariatsaufgaben, bei Aufgaben im Bereich der Reinigung und der Küchendienste.
  • Zweijährige haben einen höheren Betreuungsbedarf als Fünfjährige. Dies ignoriert das Gesetz vollständig.
  • Kleine Kindertagesstätten auf dem Land sollen die Mittel für größere Kindertagesstätten in der Stadt erwirtschaften. Dieses Ausspielen von Stadt gegen Land schadet allen und ist nicht akzeptabel.
  • Statt erst einmal für eine gute Ausstattung (Küchen, Schlafräume, sanitäre Anlagen usw.) zu sorgen, werden neue und nicht sauber gegenfinanzierte Aufgaben formuliert.
  • Es geht um das Wohl unserer Kinder. Man kann nicht wie im Gesetz nur pauschal mit Fallzahlen und Verteilungsschlüsseln arbeiten.
  • Die Finanzierung des von der Landesregierung beschlossenen Gesetzentwurfs ist intransparent und unzureichend. So kommen auf die Träger erhebliche Mehrkosten für die ausgeweitete Betreuung über Mittag zu.
  • Bauliche Erweiterungen der Kitas für die Vorhaben des Gesetzes werden nicht ausreichend finanziert. Gefördert werden muss alles, was baulich sinnvoll ist, pauschale Höchstbeträge sind nicht sinnvoll.
  • Mit dem neuen Kita-Gesetz wird den Erzieherinnen an vielen Stellen die Möglichkeit der individuellen Förderung unserer Kinder genommen. Künftig sollen keine zusätzlichen Mittel zur Sprachförderung mehr bereitstehen. Die nötigen personellen Ressourcen sollen im allgemeinen Betreuungsschlüssel von 0,1 Erzieherinnen pro Kind enthalten sein. Mit dem ohnehin zu knappen Betreuungsschlüssel kann keine ordentliche Sprachförderung gewährleistet werden.

Forderungen der CDU-Landtagsfraktion

  • Dieser Entwurf eines Kindertagesstättengesetzes muss überarbeitet werden. Kosmetische Änderungen reichen nicht aus. In der jetzigen Fassung wird er dem Anspruch eines „Zukunftsgesetzes“ nicht gerecht.
  • Die Finanzierung der Kindertagestätten muss auskömmlich, gerecht und transparent sein. Das ist nach wie vor nicht der Fall. Nicht zuletzt müssen den Trägern die Mittel für die nach dem Gesetz notwendigen baulichen Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
  • Oberstes Ziel muss Steigerung der Qualität der Kindertagesstättenbetreuung sein. Das geht nur mit einem Betreuungsschlüssel, der sich nicht an der Kassenlage, sondern an pädagogisch notwendigen Größenordnungen orientiert.
  • Inhaltliche Aspekte, wie die Sprachförderung, die Arbeit der Familienzentren, Inklusion und Schulvorbereitung müssen landesweit einheitlich und verbindlich im Gesetz geregelt werden.
  • Das Kita-Gesetz ist nach wie vor nicht ausfinanziert. Das muss sich ändern. Es ist nicht akzeptabel, dass die im Gesetz formulierten Ansprüche an die Kindertagesstätten nicht mit den notwendigen Ressourcen unterlegt werden. Das geht zu Lasten der Erzieherinnen, die großartige Arbeit leisten, und unserer Kinder.
  • Eine Veränderung der Personalbemessung darf nicht zu Lasten kleiner ländlicher Kindertagesstätten gehen.